Die Jäger von Waldzell


JaegerwaldVor sehr, sehr langer Zeit, vor über 1000 Jahren, stand in der Nähe des Or­tes Neustadt das Jagdhaus Ror­lacha, von wo aus der fränki­sche Haus­meier Karl, den man heute als den Martell kennt, und der auf der Karl­burg residierte, des öfteren mit seinem Gefolge auf die Jagd ging. Wenn eine solche beendet war, mussten stets die Bauern der Umge­bung Feldfrüchte und Wein herbei­schaffen, den sie mit viel Mühe der rauen Witte­rung und dem kargen Boden abgerungen hat­ten. Die Her­ren von der Karlburg feierten dann wilde Gelage und vielen der Bau­ern, die bei den edlen Franken nicht viel galten, erging es schlecht. So schütteten sie einem, der nichts weiter als blo­ße Rüben brachte, seine ganze Wa­genladung auf einen Misthaufen und lachten, er sollte sie nun auch selber fressen, da sie doch nun­mehr so fein ge­würzt wären. Der so gedemütigte Bauer fluchte darob wild und drohte, er werd's dem Waldgeist sagen und der zahlt' es ihnen schon heim. Die Jäger aber höhnten, der könne ihm dann bei seinem Mahl Gesell­schaft leis­ten und jagten den Bauern mit Stockhieben fort.

Die Strafe folgte jedoch auf dem Fuß.  Noch während die Jagdgesell­schaft zechte, erschien plötzlich ein merk­würdiger weißer Hirsch, der den dreistesten der Jäger immer tiefer in den Wald lockte. Plötz­lich  verfins­terte sich vor diesem der Himmel,  ein mächtiger Riese er­schien, und rief: "Wer tat hier meinem Schutzbefohle­nen Un­recht?" Als er den Jäger sah, wusste er so­gleich,  wen er vor sich hatte und be­gann, mit großen Steinen nach dem Franken zu wer­fen, wovon man jetzt noch Löcher im Boden und viele Findlinge am Weg er­kennt. Da sich der Jäger aber hinter den Bäumen ver­steckte, riss der Waldgeist  einen nach dem anderen aus und warf sie nach dem Flüchtigen, als er ihn ge­wahrte, so daß man daselbst kaum noch einen Baum findet und der Ort noch heute Steinfeld heißt. Nichts­destoweniger konnte sich der Jäger arg zerschunden zu sei­nen Ge­nossen retten. Dort sank er vor seinen Ge­nossen nieder und wollt' ihnen klagen, wie der Rüben­bauer ihm sei­nen Spott heimge­zahlt habe, brachte aber nur noch die Worte "Rübe ... zahl" hervor, bevor er sein Leben aus­hauchte.Dieses, so nah­men die Waidmänner nun an, sei wohl der Name des Unholds.

Indessen bewarf der Riese die Jäger vom anderen Mainufer aus mit Steinen, die er, um sie fest zu ma­chen, so fest zusammendrückte, daß aus ihnen das Wasser herauslief. Der Ort, von dem er die Stei­ne nahm, heißt deshalb heute Triefenstein. In großer Angst wollten die Jagdge­nossen den Riesen um Gnade bitten und  huben an zu rufen: "Höre, Rübezahl!" Doch dieses nahm der Unhold als Verhöh­nung auf, wusste er doch nicht, daß die Jäger ihren Genossen nur nicht recht ver­standen hatten. In höchster Not warfen diese sich an einem Ort bei Waldzell, wo Gertrudis, die Schwester des Meiers Karl, neben einer Quelle im Wal­de stets zu rasten und zu beten pflegte, der heiligen Got­tesmutter zu Füßen und flehten um Ret­tung. Und wunderbarerweise wurden sie erhört: Einer der Jäger aus dem Ort, der heute Ro­denbach heißt, stieg als Eule in die Lüfte, ein anderer aus dem heutigen Erlach als Rabe. Und so nennt man heu­te noch die Bewohner die­ser Dörfer Kracken und Eulen. Der dritte aber ward zu einem irdenen Töpfchen, so un­scheinbar, als hätte es schon immer dort zum Schöpfen gestan­den. Eine from­me Frau aus dem nahe­gelegenen Dorf, das heute Wald­zell heißt, sollte es spä­ter finden und edles Öl hin­einfüllen, warum die Bewoh­ner dieses Dorfes heute "Öl­häfen" genannt werden.

Als der Riese die Gesuchten nicht mehr erblicken konn­te geriet er in unmäßigen Zorn und riß zuerst alle Bäu­me um die Quelle herum und dann sein eigenes Auge aus und warf es mit so großer Wucht in den Quelltopf, dass das Wasser nunmehr in der Tiefe entspringt und nur noch über ein Trepplein zugänglich ist. Der Quelle sagt man heute aber eine heilkräftige Wirkung auf die Augen nach.

Der Waldgeist aber soll nach langem Umherirren, denn mit seinem Auge hatte er sich auch seines Sehvermö­gens beraubt, irgendwo im Riesengebirge seine neue Heimat gefunden haben. Auch wenn er sich vor den Menschen verbirgt, zeigen die gelichteten Wälder, dass er im­mer noch lebt und sein Zorn sich noch immer nicht gelegt hat.

Foto: Yronimus               

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