Wenn es in unseren
Tagen irgendwo brennt, sind wir gewohnt, dass die Feuerwehr
in Windeseile zur Stelle ist und mit Hilfe vieler Leute und
Wagen auch große Brände löschen kann. Das war früher nicht
so, weil man sich mit einfachem Gerät behelfen musste und
sich oft schon die
Benachrichtigung der Feuerwehrleute äußerst schwierig
gestaltete. In dem kleinen Ort Steinbach, der jetzt zu Lohr
gehört, verfügte die Wehr über nichts weiter als eine
Handpumpe, die von den Leuten selbst oder von Pferden gezogen
wurde. Das Wasser förderte diese Pumpe aus einem Löschweiher
am Rande des Orts. Brach ein Brand aus, blies ein Trompeter
ein Signal und alarmierte so die Mitglieder der freiwilligen
Feuerwehr, bevor Glockengeläut auch den umliegenden
Gemeinden und den übrigen Leuten im Ort verkündete: Es
brennt!
Nun entstand aber einst ein Brand in einem Gehöft der Gemeinde just zu einem Zeitpunkt, als der erste Trompeter der Wehr auf einem Urlaub weilte. So verständigte man den Ersatztrompeter, der zwar ein braver Bläser war, sich aber unglücklicherweise nicht mehr an das rechte Signal erinnern konnte. So zog er durch die Straßen und Gassen des Orts und blies die Melodie des altehrwürdigen Kirchenlieds "Düster sank der Abend nieder", das man in der Passionszeit in der Dorfkirche oft sang. Da nun aber das Osterfest schon lange zurücklag, schüttelten die Steinbacher die Köpfe, als sie die wehmütige Weise vernahmen, und sagten:"Er ist irre geworden." Einigen der Leute, die ihn nach der Bedeutung seines Spiels fragten, antwortete er in sichtlicher Verzweiflung: "Es brennt!", worauf diese sich erschrocken abwandten und sprachen:"Er ist schwerer krank, als man denkt. Man muss einen Arzt holen."
Eine Schustersfamilie nahm schließlich den weinenden Mann zu sich, bewirtete ihn mit Milch und frischem Brot und bereitete ihm das Lager. Mittlerweile hatte man aber in den umliegenden Gemeinden den Feuerschein gesehen und alle ihre Feuerwehren waren zum Brandherd ausgerückt, bevor die Steinbacher als letzte kam. Zu löschen gab es allerdings nicht mehr viel, weil der betroffene Hof bis auf die Grundmauern niedergebrannt war.
Bei den Feuerwehren der
Lohrer Gegend achtet man deshalb heute sehr darauf, dass man
in den Reihen mehrere gute Bläser hat, die alle richtige
Brandlieder beherrschen und nicht mehr "Düster sank der Abend
nieder" spielen. Diese Leute erwiesen sich indessen auch bei
anderen Anlässen als so unterhaltsam, dass sie inzwischen
überall, wo es lustig zugeht, aufspielen müssen und die
meisten Feuerwehren als so gut gelten, wie sie Feste feiern
können. Dabei sehen alle Wehren zu, dass sie in der
Übung bleiben. Hierdurch entstand jedoch die Gefahr, dass
mancher echte Alarm nicht mehr ernst genommen wurde. Deshalb
gibt es nach jedem Einsatz tüchtig Freibier, damit auch
jeder Feuerwehrmann kommt. Das Löschen des Durstes scheint so
inzwischen bei vielen eine größere Rolle zu spielen als das
von Bränden, es müsste aber wenigstens keiner der wackeren
Männer, wenn er einen Brand meldet, befürchten, dass man ihn
auf der Straße alleinlässt.