Die Burgherren von Rottenberg


RottenbergGleich hinter dem Spessartdorf Rottenberg sieht man einen steilen Ke­gel, den Klosterberg. Auf seinem Gipfel findet der Wanderer Reste ei­ner alten Burg, dazwischen verfallene Rastanlagen. Die Rottenberger wissen nicht genau, was hier einmal gestanden war. Wenn man im Dorfe danach fragt, scheint es auch oft, dass die Be­wohner nicht gern darüber sprächen.

Vor langer Zeit im Mittelalter herrschte hier oben näm­lich eine Horde wilder Gesellen - daher der Name Rot­tenberg - denen nichts heilig war. Sie nahmen die Bau­ern ebenso aus wie die Vorbeireisenden an der Straße von Aschaffenburg nach Würzburg und machten auch vor ge­weihten Männern nicht halt.

Als so der heilige Kilian auf seiner Missionsreise durch Franken in die­se Gegend kam, nahm er diesen Weg und fiel den wilden Kerlen auf der Burg in die Hände. Den Heiligen Mann ließen sie wieder ziehen, nah­men ihm aber seinen ganzen Tross nebst Vieh, Frauen und allem Ess­baren ab. Von der Beute feierten sie ein wüs­tes Fest, während sich die Entkommenen zu Fuß hun­gernd und frierend nach Würzburg durch­schleppen mussten, wo man sie aber wie Brüder aufnahm. Deswe­gen ist Würzburg auch heute noch eine fromme Stadt, während es in die­ser Gegend noch sehr viele Heiden gibt.

Als die wilden Franken aber die Ochsen des Heiligen am Spieß brieten und ihn dabei mit Messwein begos­sen, geriet der Himmel in Zorn. Ein Blitz setzte die Burg in Brand, erschlug die Köche und das darauffol­gende Unwetter machte die Burg dem Erdboden gleich. Nur noch die Umrisse der Grundmauern sind noch auf dem Klosterberg erkennbar.

Die Burgherren und ihr Wohnsitz gerieten daraufhin in Vergessenheit. Es entstand sogar eine Legende, nach der auf dem Berg Tempelritter tätig gewesen sein sol­len, denen Raubritter einer Burg auf dem be­nachbarten Gräfenstein den Garaus gemacht hätten, alte Sagen be­richten aber, dass einige Wanderer des Nachts öfter Lichter auf dem Klosterberg gesehen und den Lärm ei­nes Festgelages gehört hätten.

Mit Beginn der neuen Zeit legten die Rottenberger je­doch wieder Wege an, machten den Wald urbar und nutzten sein Holz. Für die Feriengäs­te und die Besu­cher aus Aschaffenburg richteten sie einen Trimmpfad ein, der mitten über die Burganlagen ging. An der Grab­stätte des alten Burgherrn Hilderich sollten die Sporttrei­benden Kniebeugen machen, an einem Seil schwangen sich Trimmer bis in die ehemalige Kemena­te des Ritter­fräuleins Kunigunde und auf dem ehemali­gen Schloss­hof, wo der heidnischen Feier einstmals ein jä­hes Ende gesetzt wurde, richte­ten die Wegemacher ei­nen Grill­platz ein. Seitdem füllte sich der Wald mit Sporttreiben­den, die aber oft die alten Burggräben als unheimlich empfanden.

Als an einem diesigen Tag im Spätherbst einmal eine Sportgruppe aus dem benachbarten Hösbach ihre Rund auf der Burg machte, bemerk­ten einige von ihnen in den Gräben merkwürdige Zeltdächer und Bra­tengeruch, ma­ßen aber ihrer Beobachtung keine besondere Beach­tung bei. Als sie aber etwas bergab mit Sprungübungen beschäftigt waren, sahen sie hinter sich wunderliche Gestalten, gekleidet in Schafsfelle und bunte Lumpen, zum Teil aber auch mit Brustpanzern und umge­hängten Schwertern. Ihre große Kraft und Schnelligkeit, mit der sie auch die schwierigsten Übungen in Windeseile voll­zogen, er­regte bei den Sportlern Erstaunen. Die wilden Gesellen überholten schließlich die Trimmer und kamen bald außer Sicht. Einigen der Sportler fiel aber nunmehr auf, dass manche der Übungsanlagen von einer ihnen noch nicht bekannten Art waren, so sollten an einer Stelle Blöcke mit einem Axtschlag durchgehauen wer­den, was keinem ge­lang.

Unvermittelt kamen sie dann an einen Platz, wo viele der unbekannten bunten Leute im Halbrund um die stärksten ihrer Kämpfer standen. Diese reichten den Trimmern Schwerter und Keulen und ein Schieds­richter rief zum Kampf. Die Trimmer bemerkten nun, in welcher Gefahr sie sich befanden und flohen in wilder Hast den Berg hinunter. Völlig außer Atem kamen sie in Rotten­berg an und erzählten ihr Erlebnis. Die Leute aber glaubten, man habe einen Scherz mit ihnen getrieben, bis man an einem der folgenden Tage ein Häuflein Trim­merknochen fand.

Seitdem meiden die Rottenberger diesen Berg wie die Pest, die Trim­manlagen sind verfallen und auf den halb­vermoderten Bänken inmitten der alten Burg wächst das Moos. Leute, die am Waldrand wohnen und abendliche Besucher des Waldschwimmbads erzählen seither Be­suchern hinter vorgehaltener Hand, sie hätten nachts Licht auf dem Berg gesehen und Kampfgetümmel und Trinkgesänge auf dem Berg gehört. Böse Zungen be­haupten seither auch, die Erfolge des Rottenberger Ge­sangvereins "Germania" kämen daher, daß einige der wilden Fran­ken in Verkleidung mitsängen.

Foto: Yronimus               

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