Fährt
man, aus der Stadt Lohr kommend, links
des Mains in Richtung Pflochsbach, so kommt man etwa auf halber
Strecke an eine Engstelle, wo auch der Mainuferweg an der Straße
vorbeiführt und ein steiler Hang das Maintal begrenzt. Hier, oberhalb
der ehemaligen Fischgärten, soll der Sage nach einst ein finsterer
Raubritter gehaust haben, der die Kaufleute auf den Schiffen, die vom
reichen Kloster Neustadt kamen, erbarmungslos ausplünderte und so
mancher von ihnen musste auch kläglich sein Leben lassen. Dieser
Unhold sollte, so erzählt eine Moritat, sogar kein geringerer als der
Stammvater des hochedlen Geschlechts der Grumbacher von Rothenfels
selbst gewesen sein, der als Schutzvogt des Neustadter Klosters zuerst
seine Untertanen in Pflochsbach auspresste und nach einem Bann des
Bischofs von Würzburg schließlich zum Raubritter wurde. Denselben
soll
dann aber ein todgeweihter Kaufmann verflucht haben, woraufhin die
Burg mit großem Getöse in die Erde fuhr und seither nicht mehr
aufzufinden war. In anderen Geschichten hört man, der Ahnherr der
stolzen Grumbacher von der Burg Rothenfels habe sein lasterhaftes
Leben bereut und den Pflochsbachern mit den geraubten Schätzen ein
Kirchlein gestiftet, in dem er seine letzte Ruhestätte gefunden habe.
Wahr an diesen Geschichten ist aber nur, dass Schatzgräber, die über
den Fischgärten auf der Suche nach den geraubten Gütern waren, dort
nichts gefunden haben.
Mit alldem hat es folgende Bewandtnis: Schon zu Zeiten Karls des Großen war es Brauch, dass die Erben so mancher edler Geschlechter sich ihrer Konkurrenten dadurch entledigten, dass sie sie in ein Mönchsgewand steckten und hierfür dem Kloster ein beträchtliches Vermögen hinterließen. Dieses war für die geistlichen wie die weltlichen Herren nur schwer zu ertragen, denn für die prunkvollen Gebäude, in denen sie residierten, und die kunstvolle Gestaltung ihrer Kathedralen und Residenzen waren Aufwendungen nötig, die nur aus dem stattlichen Vermögen der Klöster besorgt werden konnten, und sie streckten bald ihre gierigen Hände nach ihnen aus.
In dieser Not wurden im Frankenland die frommen Mönche, die bisher nur mit dem Kopieren der heiligen Schriften befasst waren, angehalten, von nun an Urkunden über die Besitztümer im mainfränkischen Land zu erstellen oder umzuschreiben und hierfür auch die Schriftzüge der päpstlichen Bullen und deren Siegel so kunstvoll nachzuahmen oder zu verändern, dass auch bis in unsere Zeit niemand in Zweifel zog, wessen Besitz dies von Anfang an gewesen oder wem es geschenkt worden sei. Die Schreiber des Würzburger Bischofs hingegen erklärten denselben zum Retter der Armen, Schutzvögte wie die Herren von Grumbach zu Raubrittern, die ihre Untertanen drangsalierten und ihr Zollhaus vor den Toren Pflochsbachs zu ihrem Räubernest. Dies konnten die Schreiber mit Leichtigkeit behaupten, denn Sagen von versunkenen Schlössern und frevelhaften Burgherren findet man überall im Land, und Papier ist geduldig.
Fragwürdig erscheint nur immer wieder, warum denn in den Sagen rund um die Raubritterburg ein so hoher Herr wie der Stammvater der Grumbacher in einem Nest wie Pflochsbach gehaust, ein Kapellchen errichtet und daselbst sogar begraben sein sein soll, was ein großer Stein beim Altar des Pflochsbacher Kirchleins ja vermuten lässt. Dies verwundert aber wenig, denn das Kirchlein ist mit dem St. Jakob ja dem Schutzpatron der Lügner geweiht, dessen Kathedralen aus diesem Grund Jahr für Jahr große Scharen von Pilgern anziehen. Auch Bischöfe sind in dem Pflochsbacher Kirchlein schon gesehen worden, und in dem kleinen Gasthaus gegenüber trafen sich an Freitagen immer wieder die Delegierten der Christenpartei, um dort Fleisch zu essen. Große Lügner in Staat und Kirche pilgern auch gern zum Jakobskirchlein nach Pflochsbach, weil man sie dort nicht erkennt und in Ruhe lässt. So soll dort auch ein Landesvater und sein Minister gesehen worden sein, die großen Ruhm mit ihrem Versprechen erworben hatten, man könnte in unserer Zeit wieder einen Wegezoll erheben, ohne den Geldbeutel der Bürger zu erleichtern. Da aber die Kuratoren der Kirchengemeinde fürchteten, die alten, morschen Balken des Kirchleins würden sich durch den Gesang und die Gebete solcher Gäste so verbiegen, dass sie es zum Einsturz bringen könnten, hinderten sie die beiden im letzten Augenblick noch am Betreten und konnten so vielleicht das alte Bauwerk retten. Dieselben sind deshalb immer noch nicht von ihrem Laster befreit und ziehen weiter als wackere Kämpfer für neue Wahrheiten durch die Lande.
Foto: Yronimus
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