Die Römer in Obernburg


KastellVor langer, langer Zeit hausten bekanntlich die Römer am Main. In Obernburg unterhielten sie ein größeres Lager, von wo aus sie die ringsum verteilten Legionen mit Nachschub aus dem Reich versorgten. Hierbei gerie­ten sie oft in große Bedrängnis durch einen Stamm der wilden Alamannen. Diesen gelang es immer wieder unter ihrem listigen Führer Spaethus Teile des römi­schen Grenzwalls, des Li­mes, zu über­steigen und den römischen Truppen in den Rücken zu fal­len, wobei sie jedes Mal große Mengen Kriegsgerät erbeuteten.

Besonders im Winter hatten die Römer arges zu leiden, weil ihre Ver­pflegung knapp wurde. Das Mehl wurde ein Opfer dar Würmer, die Milch verdarb, bevor sie von Rom hierher gelangte und das Jagen im Schnee war keine Sache der wärmegewohnten Römer. Die Alaman­nen schienen jedoch im Winter sogar nach an Kraft zu gewinnen und ihr wohlgenährter Eindruck rief bei den Römern Ratlosigkeit hervor.

Als die Römer in einem besonders strengen Winter, in dem sie dem Hungertod nah waren, bei einem Überfall der Alamannen auch noch ihr letztes Brot verloren, be­schlossen sie, dem Geheimnis der Germa­nen auf die Spur zu kommen. Ein Spähtrupp schlich sich in das na­hegelegene alamannische Heerlager und dort konnten die Krieger wundersa­mes erblicken und auch ihrem Centurio vorzeigen: Die Ala­mannen pfleg­ten ihr Mehl zu langen Teigfäden umzuarbeiten, die sie nach ihrem Führer "Späthsle” nannten und trocknen ließen. Die sauer ge­wordene Milch warfen sie nicht, wie die Römer, weg, sondern form­ten aus dem Rahm einen gelblichen, ranzig riechenden Brocken, den sie aßen, ohne daran Schaden zu nehmen. Einen solchen, der schon alt und hart geworden war, nannte der Centurio später nach seinem Land "Ro­madurus”. Aus Späthsle und Romadu­rus konnte in kürzester Zeit eine nahrhafte und durch­aus wohlschmeckende Mahlzeit zuberei­tet wer­den.

Derart gekräftigt war es für die Römer ein leichtes, die Alamannen bei einer ihrer nächsten Überfälle entschei­dend zurückzuschlagen. Den Sieger über den Alaman­nenführer Spaethus, besagten Centurio, nannte man in Rom dann Spadolinus. Späthsle werden auch heute noch in Ita­lien unter dem Namen "Spaghetti" zu fast je­der Mahlzeit gereicht.

An der Stätte ihres Triumphs richteten die Römer dar­aufhin eine Stätte zur Herstellung ihres Romadurus ein. Von dort aus belieferten sie bald den ganzen Norden des Reichs damit, so dass bald ein grausiger Ge­ruch durch die Landschaft zog. Und da einem solchen Ort auch andere Düfte nicht mehr wahrgenommen wurden, ließen sich daselbst noch viele andere Produktionsstät­ten nieder, die an ihrem Stammsitz verjagt worden wa­ren, weil sie dort zu strenge Gerüche verbreitet hatten.

Dieses aber bereitete den Siedlern im Umland großen Verdruss und so­gar viele der tapferen Römer verließen in großen Scharen das Land. Als nun ein braver Bürger der Stadt, der sich um das Wohl seiner An­gehörigen sorgte, schließlich den Obersten der Römer aufsuchte, um ihm sein Leid zu klagen, schüttelte der indes nur den Kopf. Der Ge­ruch, so sprach er, sei wohl zuweilen lästig. Aber das Geld, das so ein­genommen werde, stin­ke nicht. Und wenn er dieses schätze, müsse er wohl mit den Düften des Landstrichs leben.

So bereichern auch heute noch würzige Düfte die be­schauliche Ge­gend im Süden der Römerstadt. Und von dem großen Reichtum der Nach­fahren der Römer wur­de ein Ort gegründet, der nach dem Ton fal­lender Mün­zen Klingenberg heißt. Die Glücklichsten aber sind die El­senfelder. Bei ihnen soll es bereits als kräftige Würze genügen, wenn sie ei­nen Teller "Späthsle" kurze Zeit vor das Fenster stellen.

Foto: Yronimus                 

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