Vom Kaiser im Guckenberg und wie er verschwand

KlaubergVon einem Berg bei Gemünden, dem Guckenberg, erzählt man sich ähnliches wie etwa dem Kyffhäuser oder dem Untersberg bei Salzburg: Dass nämlich darin ein verlorener deutscher Kaiser sitzt, kein geringerer als Friedrich Barbarossa, dem sein Bart schon fast dreimal durch seinen Marmortisch gewachsen sei und der darauf wartete, dass man ihn ruft - spätestens dann, wenn am Ende der Tage die Guten gegen die Bösen ihr letztes Gefecht auzutragen hätten, wobei so manche auch hoffen, er könnte vielleicht schon vorher ihrer Unzufriedenheit mit ihrer Obrigkeit abhelfen.

Einen Bäckerknaben soll er
bereits einmal mit Hilfe eines alten Getreuen in seine Höhlungen gelockt und mit viel Gold und Geld versehen haben. Als aber derselbe Knabe erneut versuchte, sich an den reichen Schätzen zu bedienen, habe er nicht nur den Eingang nicht mehr gefunden, sondern der ganze Berg sei verschwunden gewesen und der Arme habe sich in so neuartiger Umgebung gesehen, dass er sich nicht mehr zurechtfand - und so müssten die Bewohner Gemündens bis heute auf ein gutes Auskommen und einen weisen Regenten warten.

Dass nun ein ganzer Berg einfach verschwindet, klingt indessen sehr sonderbar und ebenso unwahrscheinlich, wie dass
einmal ein weiser Herrscher aus der Dreiflüssestadt käme und das ganze Land zu Glück und Wohlstand führt. Tatsächlich findet man aber um Gemünden herum nirgendwo mehr einen Guckenberg und auch nicht auf einer noch so alten Karte. Man könnte annehmen, dass vielleicht der Gügelberg hinter Rieneck damit gemeint sein könnte, im Städtchen selbst verbindet man aber eher sein Wappentier, den Rienecker Göikel, mit diesem Namen. Kluge Heimatkundige scheinen jetzt aber der Lösung des Rätsels auf der Spur zu sein: Nämlich, dass die Bewohner des Sinngrunds, denen mit den Rieneckern und den Thüngenern gleich zwei begüterte Grafschaften verloren gegangen waren, den so begehrten Berg in einer finsteren und stürmischen Walpurgisnacht mithilfe zweier mächtiger Burgsinner Hexen klammheimlich entwendeten und an einen Ort an der Straße von Rieneck nach Burgsinn verbrachten, weshalb dieser Berg auch heute Klauberg heißt. Dafür spricht auch, dass sich nebenan ein Rabental befindet,  denn zu einem solch dreisten Gaunerstück  müssen  Leute schon stehlen können wie die Raben.

Geholfen hat dieses den Rieneckern freilich nicht, denn der Ort wirkt auch heute beileibe nicht wie eine mächtige Stadt, sondern eher wie ein einfaches,  dörfliches Gemeinwesen und viele der Durchreisenden sind froh, wenn sie heute seine engen Straßen meiden und es umfahren können. Ob Kaiser Barbarossa  denn wirklich  den Berg  noch einmal verlässt, ist auch eher zweifelhaft, nämlich  Bewohner, die einen ganzen Berg mitgehen lassen, schrecken  auch nicht  vor den Gütern eines Kaisers zurück.  So wird  das Städtchen Rieneck wohl noch viele  hundert Jahre in seinem Dornröschenschlaf verharren  und der Kaiser lässt sich wohl lieber auch erst dann wieder sehen, wenn er sich vor den Sinngründern sicher fühlen kann.
Bild: Topographischer Atlas vom Königreich Bayern              

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