Die Fuhrleute von Frammersbach


DonarbaumIn alten Zeiten, wo der Spessart noch wild und unweg­sam war und nicht nur Bären und Wölfe, sondern auch gemeine Räuber den Reisen­den auflauerten, mussten dieselben entweder besonders toll­kühn oder besonders unbedacht sein, um sich in diese Gefahr zu be­geben. Nun aber sollte doch so manches wertvolle Gut seinen Käufer errei­chen, sei es Orber Salz für die reichen Städ­te im Tau­bergrund, oder, auf dem Rückweg, Wein für den rauen Norden des Reiches. Hierzu aber den Schutz kaiserlicher Soldaten anzufordern oder die wert­volle Fracht auf Schiffe zu laden, die auf ihrem langen Weg über den Main immer Ge­fahr liefen, in den Stromschnell­en zu kentern oder von gieri­gen Zöll­nern erbar­mungslos ausgenommen zu werden, war vielen der Han­deltreibenden zu kostspielig.

Nun aber fand es sich, dass ein angesehenes Haus aus dem reichen Flandern sich mit dem der Rienecker ver­mählte und dabei etliche sei­ner streitbaren und bären­starken Untertanen in den Spessart mitbrach­te. Diese er­wiesen sich als überaus probat, dem Räubergesindel, das großenteils doch aus recht hungrigen Gestalten be­stand, das Fürch­ten zu lehren. Sie fanden ihr Heim in einem Ort, dem sie nach ihrer Her­kunft den Namen Flamersbach gaben, und wurden bald weithin be­kannt als die "Haberer", die den Fuhrleuten Schutz und Si­cherheit bo­ten wie niemand anders, und vor denen die Räuber meist schon reiß­aus nahmen, wenn sie sie nur von weitem sahen, wollten sie nicht übel zugerichtet mit Beulen und eingeschlagenen Schädeln auf der Strecke bleiben.

Darob sah man bald auf allen Wegen im Spessart Flamersbacher Fuhrleute, und so reichten bald die en­gen Hohlwege für die vielen Ge­fährte nicht mehr aus und es wurde notwendig, mehr Raum für neue Wege zu schaffen. Da waren die hand­festen Haberer wohl auch bes­tens ge­eignet, auch mächtige Baumriesen aus dem Weg zu räumen. Weil ihr Werk ihnen aber so so gut ge­lang, stieg ihnen ihr Ruhm zu Kopf, und sie wollten auf den Wegen im Spessart niemand mehr ne­ben sich dul­den. Nachdem sie aber aus der Fremde kamen, war ih­nen nicht be­wusst, dass sie sich so zuweilen sich auch an Bäumen in heili­gen Hainen vergriffen, von denen man sagte, dass in ihnen noch die alten Götter der Hei­den wohn­ten. Und so geschah es, dass sie nahe bei dem Ort Her­bertshain eine alte Eiche zur Strecke brach­ten, die einst dem obersten Heidengott geweiht worden war. Die­sem war noch in unguter Erinne­rung, dass an anderer Stelle ein rauer, rothaariger Prediger aus Bri­tannien eine seiner prächtigsten Eichen niedergelegt hatte, und um dies nicht zur Gewohnheit werden zu las­sen, verwirrte er die Sprachen der Baumfrevler so, dass kein einziger mehr sie ver­stand, und dass sie kei­ne An­weisungen und selbst nicht mehr die ein­fachste Nach­richt wei­tergeben konnten. Darüber gerieten sie auch an ihrem neuen Heimato­rt in heftigen Streit und dabei der­art mit Fäus­ten und Knüp­peln aneinan­der, dass die­ser Ortsteil noch heute Schwartel genannt wird.

Nun aber verging einige Zeit, und da die Flamen tüchti­ge und weltoffe­ne Leute sind, fanden sie über fremde Sprachen wieder zu­einander, nur kann ein Reisender, der aus dem Norden oder dem Bay­ernland kommt, bei allem guten Willen immer noch keinen von ih­nen verste­hen. Sie selbst verstanden noch nicht einmal mehr den Namen ihres Ortes, der deshalb heute Frammers­bach heißt. Tüchti­ge Fuhrleu­te sind sie bei alledem im­mer noch, ob sie nun Dachziegel, Hölzer und Steine verbringen oder den Unrat der ehemaligen Grafschaft in Ländereien schaffen, wo seine Gerüche die vielen Gäste des Ortes nicht behelli­gen, und keinen von ihnen hat es bislang an den Bettelstab gebracht.

Foto: Yronimus               

Start