Das Geheimnis der Mönche von Elisabethenzell

EinsiedelAuf der in alten Zeiten vielbefahrenen Birkenheimer Straße vom Hanauischen  Land bis in den Waldsassengau hinein stand einst ein Kloster, das nicht nur frommen Männern zur inneren Einkehr diente, sondern auch   viele Reisende kehrten auf ihrem langen und beschwerlichen Weg ins  Frankenland hier ein, um eine Wegzehrung zu nehmen und ihre Tiere zu versorgen. Lange war der heilige Ort verschollen, so dass viele schon in Zweifel zogen, ob es ihn jemals gegeben hätte oder ob er nicht nur in den vielen bloß erdichteten Sagen aus dem Spessart vorkäme. Nun wurde aber vor einigen Jahren dieser Ort wahrhaftig wieder aufgefunden und seine Entdecker staunten gar sehr über seine reichhaltige Ausgestaltung, ja sogar über ein Kirchlein mit beträchtlichen Ausmaßen und das stattliche Domizil des Priors, das sehr wohl auch so manchen Fürsten hätte beherbergen können.

Große Verwunderung fanden aber auch die sterblichen Überreste weiblicher Wesen und von Kindern, von denen man sich keinen Reim machen konnte, wie sie denn in einem ansonsten den Mönchen vorbehaltenen Gebäude wohnhaft sein konnten
. Denen, die ursprünglich dort ihr bescheidenes Auskommen fristeten, konnte man mitnichten ein Konkubinat vorhalten, denn sie führten ein frommes und bescheidenes Leben und nahmen höchstens in schweren Zeiten vorübergehend hochwohlgeborene Damen auf, um sie vor den Kriegswirren und den Streitigkeiten zwischen den Rieneckern und den Mainzern zu schützen. So wurde auch das Kloster der heiligen Elisabeth von Thüringen gewidmet, deren oberstes Anliegen es ja gewesen war, schutzlosen Jungfrauen einen Hort zu geben.

Das aber änderte sich, als der Abt des Klosters Oberzell zwei Würzburger Dominikanern die St. Elisabethen-Kapelle mit allen Besitztümern an Feldern und Waldungen auf Lebenszeit überließ. Von diesen Ordensbrüdern weiß man heute, dass sie auch fleischlichen Genüssen nicht abgeneigt waren, und so verkosteten sie nicht nur die saftigen Braten, die ihre Jäger lieferten und den Wein, der für die Messfeiern gedacht war, sondern auch die Jungfrauen, die der geweihte Ort noch beherbergte. Als nun nach einem kühlen und unwirtlichen Jahr die Vorräte knapp und der Wein teuer wurden, kam es den Mönchlein in den Sinn, auch ihre Gespielinnen als Wegzehrung für die Gelüste der Reisenden anzubieten - und siehe da, rasch füllten sich wieder die Fässer und die Keller hingen voller Speck und saftigem Schinken. Schnell sprach sich herum, dass an diesem Ort ansehnliche und doch handsame Weibsleute für klingende Münze zu all dem bereit waren, was der einsame, frierende Reisende vermisst. Bald herrschte so an der ehemaligen Einsiedelei reges Treiben wie nie zuvor. Im Lauf der Zeit beherbergten die Mönche auch eine stattliche Anzahl geistlicher Herren, die dort Hunger aller Art reichlich stillten, um auf diese Weise reichlich gestärkt in ihren Gemeinden die Seelsorge wahrzunehmen, ohne sich den Frauen und Töchtern der Bürger allzusehr anzunähern.

Dieses kam aber schließlich dem Bischof zu Ohren, der kurzerhand der Stätte des Lasters das Wasser abgraben ließ und so der zu weltlich gewordenen Geschäftigkeit ein Ende bereitete. In den Annalen ließ er schreiben, dass der Ort der Verdammnis preigegeben worden wäre, weil sich die Insassen dem lutherischen Glauben zugewandt hätten. Im Volk ließ er das Gerücht verbreiten, dass an der Wirkungsstätte der Mönche, die einst den Namen der heiligen Elisabeth getragen hatte, nunmehr in der Walpurgisnacht die Hexen ihren Tanz aufführten, die ihre Seele dem Bösen verschrieben hätten, der dort auch regelmäßig Gast sei. Dies glaubte auch jedermann in den umliegenden Dörfern, weil geistliche Würdenträger stets die Wahrheit verkünden und man erzählt dasselbe dort noch heute.

So verfielen die verlassenen Gebäude allmählich, und die umgebenden Waldungen waren ihren Herren bald so wenig wert, dass man einmal die Schaippacher, die hier unrechtmäßig Bäume gefällt hatten, dazu verurteilen wollte, dass sie auch noch den Rest des Holzes schlagen müssten. Erst in unserer Zeit wurde die einst heilige Stätte wiederentdeckt, und auch wenn sich nur wenige Wanderer dort einfinden, weil daselbst keine Einkehr bei Bier und Braten möglich ist, sind doch die umgebenden Wälder für viele verlockend, um sich Liebeleien und auch weiteren fleischlichen Genüssen hinzugeben. Des nachts aber meiden die jungen Liebenden den Ort, denn es besteht nicht nur die Gefahr, dass sie aus den tiefen Wäldern nicht mehr herausfinden, sondern es wurden auch immer wieder schaurige weiße Gestalten gesehen, die durch die alten Mauern schwebten und ein herzzerreißendes Klagelied anstimmten. Andere wollen sogar den Leibhaftigen selbst dort gesehen haben, der aber seltsamerweise ein Mönchsgewand trug und Flüche in lateinischer Sprache ausstieß.

Foto: Yronimus               

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