Die Feldkahler Bauernhügel


HuegelgrabIm Kahlgrund im Spessart, unweit der Orte Mömbris und Schöllkrippen, lebten vor vielen hundert Jahren zwei Bauern. Sie waren gute Nach­barn und es gab kaum einmal Streit unter ihnen, da die Landschaft noch wenig Bewohner und mehr als reichlich guten Boden für jeden hatte. So hielten Wiesen und Wege ihre Äcker auseinander und jeder freute sich, den anderen zu se­hen und Frauen und Kinder gingen im Hause des Nach­barn aus und ein.

Mit der Zeit kamen aber mehr Bewohner ins Land, die Familien wurden größer und der Boden wollte nicht mehr so viel hergeben wie in den glücklichen Jahren der Vergangenheit. So verschwand eine Wiese nach der anderen und die Äcker der beiden kamen einander näher, bis sie nur noch durch einen Weg getrennt wa­ren, den beide benutzen muss­ten, um die Karren mit den Feldfrüchten unter Dach und Fach zu bringen.

Weil es aber links und rechts des Wegs keinen Platz mehr zum Lagern der Rüben und Kartoffeln, aber auch des Mists und der aus den Äckern gelesenen Steine gab, kam es eines Tages zwischen den bei­den zum Zwist. Der eine Bauer, man nannte ihn Morhardt, hatte an sei­nem Ackerrain einen Haufen Knollen und Wurzel­werk aufgeschichtet, als der andere, genannt Heeg, mit einer Fuhre Mist kam, mit der er sei­nen Acker düngen wollte. Da die Rüben des Morhardt den Weg versperr­ten, forderte Heeg diesen auf, einige der Knollen beisei­te zu räu­men, worauf er aber nur zur Antwort bekam, er solle seinen Dreck wie­der heim schaffen, da merke man den Gestank nicht so.

Wutentbrannt nahm der Heeg - er war bärenstark - sei­nen Wagen an der Deichsel und leerte seinen Inhalt mitten auf die Knollen des Mor­hardt. Wohl wissend, daß er dem Heeg unterlegen war, ließ es Mor­hardt nicht zu einem Kampf kommen, schimpfte nicht einmal, aber als der Heeg am nächsten Morgen seine Ernte einfahren wollte und an sei­nen Acker kam, fand er auf ihm einen riesigen Haufen von Steinen. So ging es weiter: Als nächstes fand Morhardt in seinem Stroh eine Wagenla­dung Scherben, als Heeg am nächsten Morgen an sei­nem Feld anlangte, hausten in seinen Kartoffeln die Schweine des Mor­hardt, die Heeg dann nach Sai­lauf jagte, wovon dieser Ort seinen Na­men hat.

Schließlich begegneten sich die beiden Zankhähne an einem dunsti­gen Herbstmorgen, Heeg auf einem Wa­gen mit Rüben, Morhardt auf einer Fuhre stinkender Rettiche, Eier und verfaulter Knochen. Nun ging ein lus­tiges Werfen an, Schützen wie Gefährte waren bald von einem Hau­fen Unrat bedeckt. Um den Kampf zu been­den, ergriff Morhardt schließlich einen Stein, Heeg eine große, harte Rübe, beide zielten auf den Kopf des Geg­ners und sanken im gleichen Augenblick sterbend auf ihre Haufen.

Die Kinder der Kampfhähne zeigten sich vernünftiger als ihre Väter. Sie begruben den Streit mit ein paar or­dentlichen Humpen Kahlgründer Weins und die Väter, die ja, da sie sich gewaltsam aus dem Leben ge­rissen hatten, nicht auf dem Kirchhof beerdigt werden durften, mit der Erde, die die beiden Äcker trennte. So entstan­den mehrere große Hü­gel, deren Herkunft allmählich in Vergessenheit geriet. Die Kinder ga­ben, um nicht auch in Streit zu geraten, die Landwirtschaft auf und verdien­ten ihren Lebensunterhalt als Kalkbrenner und Jäger in den Wäl­dern der Grafen von Rieneck.

Viele hundert Jahre spätere - die neue Zeit hatte begon­nen - kam je­doch ein Gelehrter der Historia nebst sei­nen Studiosi in diese Gegend und erblickte in den fünf Haufen eine Stätte großer Bedeutung. Tag und Nacht gruben er und seine Helfer, unterstützt von Bauleuten und Bediensteten der nahegelegenen Dörfer. Kein Knöchlein durfte verges­sen werden, Scherbe für Scher­be, wurden die zerworfenen Krüge wie­der zusammen­gesetzte und von der Anordnung der Steine machte der Professor einen Plan.

Überschwängliche Freude bereitete dem Ordinarius der Fund der Über­reste der beiden Bauern, auf stabilen Wagen, umgeben von Le­bensmittelresten und Ge­brauchsartikeln des Haushalts. Alle seine Un­terlagen wiesen seine prähistorischen Funde als Grabstätten kel­tischer Fürsten aus, die man, tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung, zu­sammen mit Kriegswagen, Hausstand und Verpflegung hier bestattet hatte. Zudem bewiesen die eingeschlagenen Schädel deutlich, daß diese Fürs­ten im Kampf gefallen waren und die Hügel somit als Kult­stätten hohen Ranges zu betrachten waren.

So verfügen die Schimborner und Feldkahler, das sind die Bewohner der nächstgelegenen Dörfer, nun über Kulturdenkmäler, um die sie die ganze Umgebung be­neidet. In Königshofen wollten deshalb einige Ge­schichtsnarren in der folgenden Zeit die Gräber von zwei Königen ent­deckt haben, man fand unter ihnen je­doch nichts weiter als befestigte, inzwischen verschütte­te Misthaufen aus der Zeit vor dem großen Krie­ge. Auch die Version der Blankenbacher, ein Ackerrain in der Nähe der Schöllkrippener Straße sei ein Überrest des römischen Limes, wird von Fachleuten stark bezweifelt. So kann sich Feldkahl allein rühmen, eine Siedlung kel­tischen Ursprungs zu sein.

Foto: Yronimus               

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