Märchen- und Fabelhaftes


Einst kam zu mir
Fabelnder böse Wolf und sprach
kein Unhold will ich länger sein!
So hieß ich ihn willkommen
und stellte ihn den Freunden
und den Nachbarn vor
doch ließ er lange nichts mehr von sich hören
und schließlich fand ich ihn,
verhungert und zerbissen,
so wie es einem geht,
der lange blieb allein.


Es sprach die Gans zum Schwein,
was meinst du, ob das Weihnachtsfest wir überstehen?
Mir scheint, als ob man schon die Messer wetzt
um aus uns armen Kreaturen einen Festtagsbraten zu bereiten.
Wie kannst du solches sagen, grunzte dieses, ohne aufzusehen;
wie könnten Menschen, die so liebevoll uns pflegen
uns gegenüber Mordgedanken hegen?
Mein Platz wird auch am Fest im Kreise unserer Familie sein.
Und so geschah es: Festlich arrangiert zierte sein Bein
in Sauerkraut den Tisch, und saft'ge Schnitzel ließen Kinderaugen glänzen.
Der Gans jedoch war's nicht viel wert, bei solchen Feiern auch zu sein dabei.
Sie breitet' aus die Schwingen, ließ die Futtertröge stehen -
und war frei!



Bei einem weisen Mann
kam einstmals eine Frau
auf einem Schwebeteppich
mit einem Einhorn an;
doch musste sie sogleich erkennen,
dass ihre Reise ganz vergeblich war:
denn sie kam an im Juli
Sprechstunden für Berittene
hatte der Weise jedoch nur
im Februar.


Einst sprach die Nachtigall,
wem gilt mein Lied noch? Dem, der uns're Wälder plündert
und die Nester uns zerstört? Oder dem, der damit trügerisch
ein einsam Herz betört? Ich werde nunmehr schweigen
und damit allen, die hier leben zeigen:
es ist genug. Die Welt, sie lebt nicht vom Betrug.
Und Stille macht' sich breit. Die andern Vögel,
und dann auch die andern Tiere schwiegen mit.
Wer nun den Wald betrat, hört' nur den eig'nen Schritt.
Sogar der Wind hielt still. Die Blätter hingen tot, als wie erfroren
und viele, die des Weges gingen, fühlten sich verloren
in einer kalten Welt; und fragten sich, was ist das nur?
Wo blieb das Leben hier? Starb die Natur?
So lange bis ein Pärchen zärtlich dort sich an den Händen führt'
das, als nichts regte sich ringsum, den eignen Herzschlag spürt'
und da die Stille schmerzte, sang die junge Maid ein traurig' Lied.
Da schmolz der Nachtigall das Herz, erst zaghaft und dann kräftig sang sie mit.
Der Wald erwachte, Blätter raschelten, der andern Vögel Lied erklang
und was die Luft nun füllte, war nicht nur Gesang.
Zwei Menschen hatten jetzt zu Freunden, was da fliegt und was am Boden kreucht
und dieses Wunder nur durch Achtsamkeit und das, was Liebe gibt, erreicht.
 


Einst ragt' ein stolzes Schloss
über die Lande weit
mit Sälen voll von Gold und edlem Stein
und der Herr, der hinter diesen Mauern residierte, hatt' verkündet:
so wie dies Werk vollendet ist und seinesgleichen nirgends findet
wird es wohl tausend Jahre überdauern.
Heut' grasen Ziegen dort und wilde Eber suchen Eicheln
unter grünen Wipfeln, wo einst standen mächt'ge Mauern
Dies zeigt, dass mancher kann wohl Herrscher eines großen Landes sein
doch nicht über die Zeit.



Es war heut nacht, als mir im Traum
ein altes Burgfräulein erschien
und fragte mich,
wo sind die ritterlichen Herren nur geblieben
die Geist und Herz erfreuten mir mit Edelmut und Poesie?
Ich sehe Leute auf den Straßen, deren Blicke dumpf
auf bunten Kästchen ruhn.
Mit Kutschen fahren sie ganz ohne edle Rösser.
Sie werden abgespeist wie Vieh in Massen
und es schmeckt auch nicht viel besser.
Ich sah sie traurig an und suchte einiges zu klären
doch fand die richt'gen Worte nicht, und fühlte,
dass sie sie auch gar nicht wollte hören
So blieb ich stumm, bis sie verschwand;
und ich war froh darum. Denn was auch immer
ich ihr hätte weisen können, und was uns als Vorzug scheint
wär es auch noch so teuer und ein ein Wunderwerk,
hätte sie ebenso vertrieben.

 
In einem Dorfe lebte einst ein Arzt, wohlangesehen
zu dem die Leute kamen, dass er dies und das verschriebe
er half, wenn Not am Mann war;
doch die meisten schickt' er wieder fort und sprach
lebt ihr gesund, so wird es euch immer gut gehen
und weder ich noch sonst ein Arzt kann helfen
wenn eins euch fehlt: die Liebe.


Einst wurd' ein Schatz vergraben
in der Erde tief, wo alle Wege fanden lange schon ihr Ende,  
rau und wild die Gegend in den schwarzen Bergen, fern in einem kleinen Land
und blieb verborgen viele hundert Jahre dort. Allein ein altes Pergament
verriet den Ort, mit wundersamen Zeichen, die kein Mensch verstand -
bis dann ein alter Weiser warf auf diese Zeichen seinen Blick
ließ gleich erkennen, dass das Rätsel war gelöst,
doch zog sich schweigend dann zurück.
So mancher fragte nun, was er denn hat gesehen,
und ein Gesandter aller Bürger kehrte schließlich bei ihm ein
kam dann zurück ohne die Antwort, die erhofft war,
nur der Frage, als des Alten Botschaft:
wollt ihr lieber reich
oder nicht besser glücklich sein?


Es sagte einst
ein reicher Herr zu einem Mann in Lumpen
der da saß am Straßenrand,
"dies ist mein Kleingeld, das nur lästig
mir geworden ist.
Nimm diese Münzen, und kauf dir davon
ein bißchen Glück!"
Der so beschenkte dachte aber, als er dieses hörte,
nur an Zeiten, die er noch im Kreise seiner lieben
verbringen konnte, wie in seinem Haus
fast täglich Freunde gingen ein und aus
und in den Zimmern Kinder fröhlich spielten,
sah lange vor sich hin mit leerem Blick
und gab die Münzen dann dem Mann zurück.


Ein kleines Fröschlein
sprach einst zur Fliege, die sich über ihm befand
kommst du mit mir in das gelobte Land?
Ich will dich tragen und geleiten
und du brauchst nicht einmal die Flügel auszubreiten
doch während sich die Mücke das noch überlegte
war sie mit einem Mal verschluckt und hatte schnell erkannt:
für eine Fliege, und vielleicht nicht nur für die,
führts ins Verderben, einen  Frosch zu reiten
drum höre nicht auf einen Frosch, und küsse ihn auch nicht
selbst wenn er dir, sodann ein Prinz zu sein, verspricht.


Einst sprach der Fuchs zur Gans
schlecht sind die Zeiten. Lass uns doch
den steten Kampf vergessen. Komm mit mir zum Tanz!
Da sprach die Gans: wenn denn Versöhnung ist dein Wunsch
so hol den Jäger doch noch mit dazu!
Dies war dem Fuchs nicht recht, und er verschwand im Nu.
Des Jägers Nähe suchte nun der weiße Vogel, und er fuhr nicht schlecht
stand gut im Futter und genoss die Zeit
beim grünen Forstmann, denn St. Martin war noch weit.


Zu einem alten Magier kam dereinst ein Fürstensohn
und wünschte sich:"Gib mir ein Herz aus Stein!
Denn meine Liebste, der ich so viel schenkte,
hat sich mir abgewandt und will nicht bei mir sein."
Der alte Weise sah ihn an, strich leise über sein Gesicht
beschied ihm dann, "den Wunsch erfüll ich nicht"
und war verschwunden. So begab des Adels Sproß
zutiefst enttäuscht sich auf den Weg zurück.
Doch sah er auf den Wegen voll Verwunderung
nur lachende Gesichter nun. Man lud ihn freudig ein,
und so fand er bei einem lieben Wesen noch sein Glück.
Doch wollt er wissen nach so manchem Jahr
wieder beim alten Magier, was denn sein Zauber war.
Der sprach, "hierfür hätt'st reisen müssen nicht so weit -
denn alles was ich gab, war bloße Freundlichkeit."
 

Vergraben unter Wurzeln einer alten Eiche
fand ich ein Amulett
mit einem Bildnis einer schönen Frau
von dem, der es einst trug
ist nichts geblieben
doch zeigt' es mir, 
dass selbst nach vielen Jahren immer noch
etwas, das Freude stiftet, hinterlassen wird
wenn zwei sich lieben.


Ein kleines Käferlein
wünschte sich sich einst: ich möcht ein Vogel sein
ausbreiten meine Schwingen und mich hoch erheben
über alle Wipfel; und da dies eine Fee erhört
wurd' ihm sein Wunsch erfüllt; doch sah es nicht
den Adler über sich und wurde so schon seine Beute
bevor es recht die Erde unter sich gesehen hatte; heute
wollen viele hoch hinaus - doch dass dort auch Gefahren lauern
nimmt kaum von ihnen einer wahr und wird dann Opfer derer
die da der Lüfte Herrscher sind  -
und man wird sie dann nicht bedauern.


Es sprach einst eine kleine zarte Fee
"wozu das viele Leid, das unsre Augen sehen,
wie Brüder sollen alle Menschen sein!"
Sofort ging da ein Raunen durch den Blätterwald
die Luft stand still und alle Tiere schienen wie von Stein;
ein jeder dachte sich und auch so mancher sprach es aus
wie gut und richtig dieses wäre; doch als der Wind sich wieder regte
da setzten alle wie bisher ihr Leben fort
und jene kleine Fee, sie wurde wohl bewundert von recht vielen,
aber blieb allein.


In einer kleinen Hütte tief im Wald
da lebte einst ein altes Mütterlein
war gut zu ihren Kindern und nahm jeden gerne auf,
der keine Herberge mehr mehr fand, oder dem
früher als gedacht die Nacht brach schon herein
so zogen viele durch den Wald, schätzten die Gastlichkeit
doch fanden etliche nicht mehr den Weg 
und mancher zahlte so mit seinem Leben,
dass er zu sorglos hatte sich unkundig auf den Weg begeben
In tiefem Schmerz wähnten die seinen nun,
die Alte müsse ein Hexe sein
und so ging sie ins Reich der Märchen ein.


Ein kleiner Schuhkarton,
gefüllt mit Träumen, ging einst um die Welt
und wer den Deckel hob, der sah wohl nichts darin
doch ein Gedanke ließ ihn nicht mehr ruhn.
Sei es, dass er ein ein Wunderwerk der Technik
hatte bald kreiert
oder dass seine Wege ihn in ein verborg'nes Paradies geführt
oder dass er der Anmut holder Wesen, sei es nun durch
prächtige Bekleidung oder ein Geschmeide wie vom Märchenland
seine Krönung gab. Und wenn dann solches ward geschaffen
war der Karton schon in des nächsten Hand
Doch sorgte sich bald mancher, ob  er denn nicht bald leer
und keiner aller schönen Träume in ihm noch zu finden wär.
Doch als er wiederkehrte zu dem ersten, der ihn hatte fortgegeben
Da war er besser noch gefüllt als ehedem
und gab so eines jeden Findigkeit ein neues Leben.


Ein Wichtel klein
lugte verstohlen hinter Bergen von Papier und Süßigkeiten vor
und fragte sich, was hier denn wohl geschehn
kam dann zum Schluss, dass niemand hier
würd' wohl begehren seinen Beistand noch
oder wüsste nicht mehr aus noch ein
und wurd nicht mehr gesehn.


In einer Zeit
wo noch ein König herrschte, streng und hart
wurde ein Mägdlein einst zu ihm geführt
das seinem Sohn durch ihre Schönheit aufgefallen war
und als sie sprach, und zu ihm aufsah wurde ihm gleich klar,
dass all sein Geld und Gold, und alle seine Weisen
nicht einen Menschen bringen konnten, der so hold
und der so klug und doch von reinem Herzen schien;
drum bat er seinen Sohn zu sich, schickt' ihn auf lange Reisen
auf dass die Rose seines Landes weiter konnte blühn.


Könnt ich so sein wie du?
so ließ die Lilie, wogend sich im Wind, die rote Rose wissen
der Blumen Fürstin, die mit ihrem Duft
und die mit ihrer Farbe Pracht ein jedes Herz betört
und dabei wehrhaft doch, wenn einer ihre Kreise stört.
Doch leise wispernd fügt' die Schöne die Entgegnung zu,
wie kannst du solches fragen? Ist es nicht dein Bild
das königliche Wappen ziert und vieler Edlen Schild?
Wär es dir recht, wenn Tag für Tag des Gärtners Schere
dir raubt die schönsten Blüten und die Zweige trimmt
je nach der Menschen Laune, und selbst die Knospen nimmt?
Und wenn du wärst ein kleines unscheinbares Kräutlein, ohne Saft und Kraft
so wär es deine Heilkraft die dann Achtung dir verschafft
Drum sollst du wissen, was dich formt, ist weder fein noch schlecht
sei was du bist, denn das ist für dich gut und recht!


Mir ist so schlecht,
sagt' einst zu seiner Mäusefrau
der Mäusemann
von all dem vielen Speck und Käse
und der Bauch drückt mich so sehr,
ich fürchte schon, ich passe bald
durch unser kleines Loch nicht mehr
Mach dir da keine Sorgen, sprach darauf
die Mäusefrau zu ihrem Mäusemann
und nähre gut dich weiterhin
denn sie dachte sich dabei,
dass ihn dann auch
die Katze nicht mehr fangen kann.


Als einst ein Bauersmann
im Boden eine alte Kiste fand
da dachte er, er wäre nun ein reicher Mann
doch fand er darin Erde nur
und einen Ring mit sonderbarem Stein,
der war für seine Hand zu klein.
So suchte er im ganzen Land
nach einem zarten Wesen,
welches diesen Ring konnt' tragen
und fand es auch nach vielen hundert Tagen
wurde glücklicher mit ihm
als wie von allen Schätzen dieser Welt
trug, als er fühlte, dass zu Ende ging sein Leben
die Kiste, wohl gefüllt mit allem, was es ihm gegeben
zurück aufs Feld 
und grub sie wieder tief dort ein
damit ein andrer Mensch einst könnte auch so glücklich sein.


Es sagte einst
ein stolzer Hahn zu seinen Hennen
seht her, wie groß ich bin
schon früh am morgen hört man weithin meinen Ruf
und jeder, der den Hof betritt
bewundert dort zuerst mein prächt'ges Federkleid;
doch von den Hühnern sagte eines nur
mit deinem Kik'riki und deinen bunten Federn
ziehst du wohl manchen Blick auf dich
doch hast trotz aller deiner Sprüche nie ein Ei gelegt
und wirst, so sehr du dich auch plusterst,
dereinst doch nur als Braten enden
tat wieder dann den Körnern sich zuwenden
und von Bedauern für den eitlen Vogel
sah man bei all den andern Hühnern keine Spur.

 
Es war einmal ein alter Mann
der jeden Tag aus seinen Freuden einen Faden spann,
mal wie von Seide, mal wie Silber oder Gold
und diesen dann zu einem Tüchlein webte.
Das legte er, als es vollendet war,
auf seinen Tisch
und hatte, wenn auch niemand andres 
suchte ihn noch auf
das Glück zu Gast, solang er lebte.


Neulich traf ich auf einen kleinen Wichtelmann
der fing gleich an, mir zu erzählen
was er doch alles weiß und alles kann
und fast schon hätte ich es ihm geglaubt
da fiel mein Blick auf seine Nase,
die ohnehin schon groß war
und nun fing auch ganz plötzlich
noch zu wachsen an.
Als nun das Zwerglein mich
daraufhin milde lächelnd sah
verschwand es schnell im Reisig
und ich dachte mir, vielleicht
ist es am Ende doch nicht ganz
so klug und fleißig.


Es kam ein Mensch
der täglich Staubsauger und ähnliche Geräte
zu verkaufen suchte, abends heim
mit einem Lächeln im Gesicht.
Denn wenn ihm auch kein einziger Verkauf gelang
so sagte er sich doch
so viel zufried'ne Menschen,
die schon alles haben, was sie brauchen
finde ich hier zu Hause nicht.

 
Ein kleiner böser Zwerg
versuchte einst, zwei Menschen, deren Herzen füreinander schlugen
zu entzweien. Säte aus Gerüchte, wollte Zwietracht
schaffen, legte Steine ihnen ständig in den Weg;
und fast wäre es ihm auch geglückt.
Konnt' aber nicht die Herzen brechen, und stand bald allein
mit seinem Hass. So einsam, dass er von der Abscheu,
die ihm einer  Riesenwoge gleich entgegenschlug
wurd' wie ein morsches Holz zerschlagen und erdrückt.